Montag, 14. September 2009

Zeitdiebe

Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?!
Das war gestern die Frage, als Anja und ich uns gezwungenermaßen vor dem Speisesaal der Rehaklinik nach einem Fünf-Stunden-Schwatz trennen mußten. Aber es wäre locker Stoff für die ganze Nacht da gewesen.

Natürlich wußte ich von ihren Eltern, daß es mal wieder Spitz auf Knopf um Anja gestanden hatte, aber wenn man dann die Details erfährt - Halleluja!
Selbst die Ärzte, die Anja behandelt und operiert haben sprechen von einem "Wunder".
Denn eine Trikuspedalklappen-OP wurde nun erst 41 mal in Deutschland durchgeführt und inklusive Anja haben nur 3 überlebt. Und das waren ansonsten "gesunde" Menschen.

Anja war dieses Mal zweimal klinisch tot, mußte reanimiert und ins künstliche Koma versetzt werden.

Optionen hatte sie keine. Was als banale Voruntersuchung begonnen hatte, führte am 3. August zu einer sehr aufwendigen OP am offenen Herzen, für die die Ärzte Anja nur 30% Überlebenschance bescheinigten. Eine spätere OP oder gar Zeit zum Nachdenken blieb nicht - Anja wäre mit jedem Tag zu einer OP zu schwach gewesen.

Für die anberaumte OP an jenem 3. August wurde "Ersatzmaterial" für alle Eventalitäten herangeschafft, zwei komplette Herzspezial-OP-Teams und drei Anästhesisten standen bereit, weil man aufgrund fehlenden OP-Berichts aus Konstanz und nicht Einsehbarkeit der tatsächlichen Beschädigung mit einer bis zu 16stündigen OP rechnete.

Es war nicht halb so viel. Nur 4 Stunden dauerte die OP, am längsten hielt dabei eine zersplitterte Rippe auf, Anja's Knochen bröseln schon bei einem Hauch - die starke Osteoporose.

Das Brustbein, daß sie sich im Mai gebrochen und das gerade wieder verheilt war, mußte erneut gebrochen werden, damit man an das Herz kam. Vor Ort stellte sich zum Glück heraus, daß die Trikuspedalklappe zumindest noch mit dem Herzen verankert war. So konnte Anja ein Stück Kunststoff eingesetzt werden. Optimal, denn alle anderen "Ersatzteile", die für einen schlimmeren Fall bereitstanden, waren vom Schwein undhätten das Risiko einer Bakterienansammlung und damit einer Sepsis, zur Folge, zu der Anja ja aufgrund ihrer Grunderkrankung sehr schnell neigt. Glück im Unglück!

Trotzdem wollte der Blutdruck nach der OP nicht steigen, sank auf schwindelerregende Minima von 40:20 ab, was immer wieder zu kniffligen Situationen führte.

Nach zwei Tagen die bange Frage: schafft sie es schon alleine, kann sie aus dem künstlichen Koma geholt werden. Sie hat es geschafft und von da an wurde es besser.
Der Termin zur Reha am 17. August stand schon fest. Dann, urplötzlich, wieder Atemnot. Der linke Lungenflügel fiel zusammen. Not-OP. In der Lunge hatten sich Unmengen von Schleim angesammelt, in den sich zu allem Unglück auch noch ein Pilz festgesetzt hatte. Diese Pampe verkapselte die Lunge total, so daß nur mehr eine Not-OP mit sofortigem Abpumpen des Schleims half. Auch hier wieder Aussetzer, Reanimierung, künstliches Koma.

Endlich, nach fünf Wochen Intensiv-Station ab in die Reha. In einem Spezialkrankenwagen und in Neutrauchburg nochmals drei Tage auf Intensiv - die Ärzte wollten auf Nummer sicher gehen.

Erst seitdem geht es nun wirklich aufwärts. Die Lunge ist noch eingeschränkt und Anja hat nun ein topmoderne Beatmungsgerät, das sie wie einen Trolley vor sich herschiebt. Das Teil kann sie an jeder Steckdose oder am Zigarettenanzünder im Auto aufladen. Ihre Augen klitzerten schon wieder verdächtig vor Unternehmungslust, wohin man damit fahren und was man anstellen könnte......

Das ist Leben und ich bin so froh, daß das Leben Anja wieder hat!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Au weh, was die Anja alles durchmachen muss... Klingt fürchterlich und ich freu mich so sehr, dass sie es wieder geschafft hat eine schwere Krise zu überwinden! Hoffentlich geht es nun wirklich richtig bergauf und sie kann ihren Unternehmungsgeist bald wieder ausleben!

Tonja, am liebsten würd ich euch nun beide knuddeln - ich weiß ja, wie sehr dich das alles mitnimmt... Virtuell gehts, real hoffentlich bald!

*knuddels Josie